Saale-Unstrut

Das größte von den kleinen, so könnte man das Weinbaugebiet Saale/Unstrut auch nennen. Vor allem aber ist es das am nördlichsten gelegene Qualitätsanbaugebiet, das heute klare und frische Cool-Climate-Weine hervorbringt.

 

Saale/Unstrut: Drei Länder, zwei Flüsse, ein Gebiet

Das zwischen den beiden Flüssen Saale und Unstrut gelegene Weinbaugebiet hat zwar nur 837 Hektar Rebflächen – und belegt damit in der deutschen Anbauflächenstatistik die fünftletzte Position –, die verteilen sich dafür aber auf immerhin drei Bundesländer. Namentlich sind das die Länder Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg.

Trotz der eher kleinen Anbaufläche hat das Gebiet einen Rekord aufzuweisen: Es beherbergt nämlich die nördlichsten offiziellen Weinbauflächen nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Hier befinden sich einige Weingärten auch jenseits des 51. Breitengrads, der gemeinhin als Grenze für sinnvolle Weinbauaktivitäten gilt. Sogar nördlich des Harzes und an der Havel liegen einige der Flächen.

Kleine Fläche, lange Geschichte

Trotz ihrer kleinen Fläche blickt die Weinbauregion auf eine über tausendjährige Geschichte zurück. Schon im Jahr 998 ist der Weinbau durch eine Schenkungsurkunde belegt. Wie so oft in Europa waren es in der Folge die Klöster, die den Anbau von Wein vorantrieben, Schätzungen sprechen für das 16. Jahrhundert von einer Gesamtfläche von über 10.000 Hektar. In der Folge sorgten Kriege, Missernten und der zunehmend beliebter werdende Anbau von Kartoffeln für ein stetiges Sinken der weinbaulichen Aktivitäten.

Die Gründung des deutschen Zollvereins 1835, die den Import von Weinen auch aus anderen deutschen Regionen deutlich attraktiver machte, und schließlich die Reblaus 1887 sorgte dann für den fast vollständigen Niedergang. 1919 waren gerade einmal noch 100 Hektar Fläche bestockt. Saale/Unstrut war das erste Reblaus-Katastrophengebiet in Deutschland und nicht ganz zufällig wirkte in der Region mit Carl Börner einer der führenden Erforscher und Züchter von reblausresistenten Unterlagsreben.

Nach dem zweiten Weltkrieg waren es zunächst Freizeitwinzer, die die alte Tradition des Weinbaus wieder aufnahmen. Verstaatlichung zu VEGs (volkseigenen Gütern) und sozialistische Planwirtschaft der DDR folgten. Bekanntester überlebender Betrieb aus diesen Zeiten ist sicherlich die schon seit den 19. Jahrhundert in Freyburg ansässige Rotkäppchen Sektkellerei.

Kleine Fläche, enorme Vielfalt

Ein Erbe des Sozialismus ist die große Menge von Rebsorten im Anbaugebiet. Denn in der ehemaligen DDR war es nahezu unmöglich, Pflanzreben zu kaufen. So brachten – und pflanzten – die Winzer alles mit, was sie auf Reisen fanden. Meistangebaute Sorte ist nach wie vor der Müller-Thurgau, gefolgt von Weißburgunder, Riesling, Dornfelder und Bacchus. Dass die fünf meistangebauten Rebsorten gerade einmal etwas mehr als die Hälfte der Anbaufläche (50,8 %) belegen, ist ein deutliches Indiz für ungewöhnlich hohe Varianz. Über 30 Sorten weist die Statistik insgesamt aus.

Bei Neuanpflanzungen wird heute insbesondere auf gute Frostresistenz geachtet, denn das Anbaugebiet ist aufgrund seiner geographischen Lage regelmäßig extremen winterlichen Bedingungen mit Temperaturen unterhalb von -20° Celsius ausgesetzt. Im Eiswinter 1986/1987 beispielsweise erfroren so sage und schreibe 40 Prozent der damaligen Rebfläche – trotz der Wärmeinseln die sich in den Flusstälern als Mikroklima ausbilden. Die Sommer dagegen sind dadurch – bei 1.600 durchschnittlichen Sonnenstunden – warm. Allerdings auch recht trocken – mit dementsprechend negativen Folgen für die Durchschnittserträge. Gerade einmal 50 Hektoliter pro Hektar sind es in der Region.

Geologie, Geografie und eine ganz besondere Lage

Geologisch finden sich in Saale/Unstrut Böden mit Muschelkalk, Buntsandstein, Lößlehm und Kupferschiefer. Die Landschaft ist geprägt von teils jahrhundertealten Trockenmauern, die die steilen Hänge entlang der Flusslandschaften in teils bis zu zehn übereinander liegende Flächen terrassieren. Dazwischen findet man immer wieder das Markenzeichen der Region: die Weinbergshäuser. Mehrerer hundert dieser Schutz- und Lagerbauten stehen in den Weinbergen – in allen denkbaren Größen und aus allen möglichen Epochen. Das älteste sicher datierte stammt aus dem Jahr 1555.

Das Weinbaugebiet ist aufgeteilt in drei Bereiche. Der größte davon ist Schloss Neuenburg mit über 500 Hektar Flächen hauptsächlich in Sachsen-Anhalt (neben einer kleinen Fläche in Brandenburg).  Hier befinden sich drei Groß- und 23 Einzellagen. Der Bereich Thüringen ist mit einer Fläche von 55 Hektar der kleinste der drei. Er setzt sich ausschließlich aus insgesamt elf Einzellagen zusammen. Seit 2002 existiert der neu geschaffene Bereich Mansfelder Seen. Er umfasst 80 Hektar mit der Großlage Kelterberg und sechs weiteren Einzellagen, von denen eine ganz besonders bemerkenswert ist. Denn die wohl außergewöhnlichste Einzellage im Weinbaugebiet Saale/Unstrut ist zugleich auch eine der jüngsten: sie wurde nämlich erst im Jahr 2000 mit Reben bepflanzt. Und zwar am Nordufer des mit der Aufgabe des Tagebaus entstandenen, 19 Quadratkilometer großen Geiseltalsees. 3,5 Hektar umfasst die mit einem Innovationspreis prämierte Anlage, die als Referenz an die Umstände ihrer Entstehung auf den Namen „Goldener Steiger“ getauft wurde. Im Jahr 2020 wurde sie nach Erhalt von weiteren EU-Pflanzrechten noch einmal um 1,5 Hektar erweitert.